
schon fast 20 Jahre her und immer noch aktuell:
Firmenfeier. Neuer CEO aus der Schweiz.
Er präsentiert stolz das neue High-End-Bügelsystem für den Haushalt.
Wir – Betriebsrätinnen, Nutzerinnen, Frauen mit normalen Frauenhänden, testen es. Denn wer benutzt wohl zum größten Teil Bügelsysteme????
Der Wassertank? Laut Beschreibung während des Bügelns nachfüllbar.
In der Praxis: glatt, ohne Griff, für uns mit einer Hand kaum zu halten, die zweite braucht Frau aber für den Wasserhahn.
Wir melden es.
Die Antwort?
Der CEO greift selbst zum Tank, hält ihn mühelos mit einer Hand.
Einer selbst für einen Mann relativ großen Hand!
„Geht doch.“
Fall erledigt.
Das Problem, wenn Macht Kritik ignoriert weil sie nicht von der „richtigen“ Stelle kommt.
Diese Szene steht exemplarisch für ein tiefgreifendes Systemproblem:
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Fehler werden nicht erkannt, weil sie von unten kommen. Anstatt alle Möglichkeiten zu nutzen werden sie ignoriert.
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Kritik wird ignoriert, weil sie unbequem ist. Als ob Beobachtungsgabe erst ab einer gewissen Stufe im Organigramm einsetzen könnte.
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Macht schützt sich selbst, statt Verantwortung zu übernehmen, zuzuhören und etwas zu verändern. Haben unsere C-Klasse Leute wirklich so viel Angst. Sind sie so unsicher oder wackeln ihre Stühle zu sehr?
Das Ergebnis?
Eine Unternehmenskultur, die Innovation erstickt, Mitarbeitende demotiviert und Milliarden kostet.
Vertrauen braucht Timing – nicht Ansage
Vertrauen ist die Grundlage jeder offenen Fehlerkultur. Aber Vertrauen lässt sich nicht per Schalter einschalten – schon gar nicht auf Ansage.
Eine kleine Geschichte aus meiner Kindheit:
Mein Vater war für uns nie wirklich anwesend, mehr wie eine Schaufensterpuppe auf dem Sofa, die sich nur regte, wenn wir ihn beim Fernsehen störten.

Wenn wir mit Fragen oder Problemen kamen, wurden wir zu Mama geschickt. Hauptsache, wir ließen ihn in Ruhe.
Irgendwann, an einem Sonntag, bestand meine Mutter auf einem Heile-Welt-Familienspaziergang durchs Dorf. Keiner hatte Lust. Auch Papa nicht. Aber er musste mit.
Mittendrin sagte er plötzlich: „Ihr beschwert euch doch dauernd, dass ich nie Zeit habe, euch nie zuhöre. Jetzt hab ich Zeit. Erzählt mir eure Probleme.“
Überrascht es irgendwen, dass uns in dem Moment nichts eingefallen ist?
Vertrauen und Timing gehen halt nicht per Befehl. Wer will, dass Menschen offen über Fehler reden, muss vorher eine Beziehung schaffen, in der das überhaupt möglich ist.
Und dann sind da ja noch die unsichtbaren Fehler – die unter dem Teppich gekehrten.
Nicht jeder Fehler macht „Peng“. Manche schleichen sich ein. Manche sind schon lange da – wir haben nur aufgehört, sie zu sehen. Oder wollten sie nie sehen.
- Wenn Sexismus in Alltagswitzen steckt und niemand widerspricht.
- Wenn ein Kollege jeden Montag nach Schnaps riecht – und alle wegschauen.
- Wenn jemand systematisch übergangen wird, weil es ja nur eine Frau ist, weil er oder sie leiser, migrantisch, behindert oder einfach nicht „stromlinienförmig“ ist.
- Wenn Führungskräfte Mitarbeiter:innen kleinhalten, aber als „stark“ gelten.
- Wenn jemand ständig im Homeoffice verschwindet, weil er/sie mit einer Depression kämpft – und niemand fragt, ob er Unterstützung braucht.
All das sind keine Einzelfälle. Es sind systemische, schleichende Fehler, die nicht passieren – sondern bestehen bleiben, weil sie nicht da sein dürfen.
„Das kann hier doch nicht sein.“ „So ist er halt.“ „Jetzt übertreib mal nicht.“
So lange wir nur das thematisieren, was hübsch verpackt daherkommt, bleibt alles andere unter dem Teppich.
Bis irgendwann jemand stolpert.
Und dann stellen wir fest: Da lag ein ganzer Berg.

Und ich finde fast noch wichtiger: Wir verwechseln Fehler mit Schuld.
Ein klassisches Beispiel: Ein Verkehrsunfall. Autos stehen kreuz und quer. Menschen bluten, schreien. In dieser Situation fragt hoffentlich niemand als erstes: „Wer war’s?“ Man ruft den Notarzt, leistet Erste Hilfe. Die Schuldfrage kommt – später. (Also ich hoffe daß es so ist, ich glaube immer noch an das Gute im Menschen. Daran daß geholfen wird, nicht das Handy gezückt und gefilmt)
In Unternehmen ist es oft umgekehrt: Kaum ist etwas schiefgelaufen, wird gefragt: „Wer hat das verbockt?“ Noch bevor man versteht, was eigentlich passiert ist. Noch bevor Lösungen da sind. Noch bevor klar ist, ob überhaupt jemand allein verantwortlich war.
Schon Kindergartenkinder lernen: Wenn die Tasse runterfällt, zeigt man auf jemanden. „Der war’s.“ Fehlerkultur? Fehlanzeige. Es geht ums Schuldige-Finden, nicht ums Verstehen.
Solange wir Fehler reflexhaft mit Schuld verknüpfen, wird niemand freiwillig welche zugeben. Und genau das verhindert jede echte Lernkultur.
Ich bin ja keine für Zahlen, aber sie sind schon heftig:
Was uns schlechte Unternehmenskultur wirklich kostet
- 167,2 Mrd. € Produktivitätsverlust entstehen jährlich in Deutschland durch mangelnde emotionale Mitarbeiterbindung. (Gallup Engagement Index 2023)

- 118,4 Mrd. € jährliche Kosten durch Mitarbeiterfluktuation. (Persentis 2024)
- 16 % Gender Pay Gap, trotz gleicher Qualifikation bleibt ein bereinigter Unterschied von 6 %. (Destatis 2025)
- 44,3 % mehr unbezahlte Care-Arbeit leisten Frauen. Konsequenz: geringere Karrierechancen, höhere Altersarmut. (UN Women)
- 27,1 % Gender Pension Gap: Frauen erhalten im Alter deutlich weniger Rente als Männer. (Wikipedia/Altersrente)
- +390 Mrd. € BIP bis 2025 durch echte Gleichstellung. (McKinsey Gender Parity Report)

Internationale Vergleiche: Wer macht’s besser?
Die nordischen Länder Finnland, Dänemark, Island, Schweden und Norwegen
- Flache Hierarchien
- Hohe soziale Sicherheit
- Offene Fehlerkultur
- Vertrauen statt Kontrolle
Das Ergebnis? Top-Platzierungen bei Innovation, Lebensqualität, Gleichstellung, und Zufriedenheit.
Estland
- Vorreiter in digitaler Verwaltung
- Fehlerfreundliches Start-up-Umfeld
Israel
- Risikokultur und Innovationsstärke durch offene Kommunikation, auch im Scheitern
Diese Beispiele zeigen: Wer Fehler zulässt, schafft Fortschritt.
Jetzt kommt aber noch etwas dazu:
Lebenszufriedenheit: Die glücklichsten Länder der Welt
Laut World Happiness Report 2024 belegen Finnland, Dänemark, Island, Schweden und Norwegen die Plätze 1–5.
Deutschland? Platz 24. Mit sinkender Tendenz.
Was die Spitzenländer verbindet:
- Vertrauen in Institutionen
- Hohe Gleichstellung
- Fehlerkultur ohne Angst
- Soziale Sicherheit
Glück ist kein Zufall. Es ist das Ergebnis von Struktur.
Die Ursache: Eine Kultur der Angst und des Schweigens
In vielen Unternehmen herrscht eine Kultur, in der:
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Fehler als Schwäche gelten, statt als Chance zur Verbesserung.
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Kritik von unten ignoriert wird, während oben Entscheidungen ohne Rückkopplung getroffen werden.
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Diversität als Pflichtübung betrachtet wird, nicht als Bereicherung.
Diese Kultur führt dazu, dass:
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Mitarbeitende innerlich kündigen, weil sie sich nicht gehört fühlen. Irgendwann kündigen sie dann auch real was nochmal massive Kosten verursacht.
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Innovationen ausbleiben, weil neue Ideen als Bedrohung empfunden werden. Wenn das Unternehmen richtig doof agiert bekommt dann die Konkurrenz die Idee….
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Frauen und andere marginalisierte Gruppen systematisch benachteiligt werden, weil ihre Perspektiven nicht ernst genommen werden.

Bevor jetzt hier das Geheule losgeht von wegen Männerhass:
Es geht nicht um Männer gegen Frauen
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Nein, Frauen sind nicht die besseren Menschen.
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Nein, es geht nicht darum, Männer zu entmachten.
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Es geht darum, das Spiel so zu verändern, dass alle darin atmen können. Männer, Frauen, Transgender, jegliche Ausrichtung. JEDER
Auch Männer leiden unter dem Druck der Unfehlbarkeit. Auch Männer dürfen in diesem System keine Schwäche zeigen. Es geht um Menschlichkeit – nicht um Geschlechterkampf.
Erst jetzt, 2025 ist es dem Bundesgesundheitsministerium z.B. aufgefallen daß Medikamente und Therapien bei Frauen anders wirken als bei Männern. Es wurde JETZT eine Studie in Auftrag gegeben. Es geht nicht nur um die Arbeitswelt, es geht um unsere Gesundheit, unser Leben.
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