Dieser Text ist kein typischer Café-Ruhepol-Artikel.
Es geht nicht um Achtsamkeit, kreative Auszeiten oder Klarheitsbäume.
Es geht um etwas Grundlegenderes. Um Menschlichkeit. Um Würde. Um Menschenrechte.
Und darum, dass echte Ruhe nur dort entstehen kann, wo niemand sich verstecken oder erklären muss.
Ich teile diesen Beitrag, weil ich glaube, dass Gleichberechtigung, Gleichbehandlung und das Recht, man selbst zu sein nicht verhandelbar sind. Nicht auf dem Klo. Nicht im Leben.
Und weil Café Ruhepol für mich genau das ist: ein Ort, an dem Vielfalt nicht geduldet, sondern gewürdigt wird. Leise. Klar. Und mit offenem Herzen.
„Toilettenpass, bitte?“
Warum ich nicht mehr mitlache – und was das mit unserem Menschenbild zu tun hat
Es fing harmlos an. Mit einem Interview. Mal wieder eins dieser Gespräche, bei denen Menschen sehr viel Meinung und sehr wenig Menschlichkeit in Mikrofone sprechen.
Die These: Transmänner müssten auf die Damentoilette, „weil sie ja eigentlich biologische Frauen seien“. Sonst könnten sich „echte Männer“ da einschleichen. Sicherheitsrisiko!
Da schlug sie zu: meine alberne Ader.
Ich stellte mir eine Zukunft mit Klo-Kontrollen vor. Chromosomen-Scanner an der Toilettentür. Antrag auf Zugangskarte. Die Toilette als Hochsicherheitszone.
Ich hab’s in einem satirischen Text verarbeitet. Lachen hilft mir oft, mit dem Irrsinn umzugehen. Und ja – es war lustig.
Aber irgendwann blieb mir das Lachen im Hals stecken.

Denn was steckt eigentlich hinter solchen Aussagen?
Die Behauptung, Transpersonen seien eine Gefahr – nicht weil sie etwas tun, sondern weil sie existieren – ist keine neue.
Sie wird immer wieder recycelt, schön verpackt in Pseudo-Argumenten über Schutz, Moral, Kinder, Sicherheit.
Aber unterm Strich geht es um Kontrolle.
Und um ein Menschenbild, das keinen Raum für Vielfalt lässt.
Denn seien wir ehrlich:
Kein übergriffiger Mann braucht eine trans Identität, um gewalttätig zu sein.
Er braucht Macht. Strukturen, die ihn decken. Ein Umfeld, das schweigt.
Die Bundeszentrale für politische Bildung erklärt sehr klar, was Transidentität bedeutet – und dass sie keine Mode, kein Trick und keine Gefahr ist.
Es geht nicht um Toiletten. Es geht um Identität.
Menschen, die Transpersonen das Recht auf Selbstdefinition absprechen, sagen oft Sätze wie:
„Ich hab ja nichts gegen Transmenschen, aber …“
Stopp.
Nach dem „aber“ kommt nie etwas Gutes.
Nach dem „aber“ kommt Abwertung, getarnt als Sorge. Kontrolle, getarnt als Fürsorge. Ausschluss, getarnt als Schutz.
Und das betrifft nicht nur trans Menschen.
Es betrifft alle, die nicht in irgendein gedankliches Raster passen:
-
Schwarze Menschen, die „zu laut“ sind.
-
Frauen, die „zu direkt“ sind.
-
Männer, die „zu weich“ sind.
-
Menschen, die lieben, wie sie lieben. Glauben, was sie glauben. Leben, wie sie leben.
Was uns trennt, ist nicht Geschlecht, Herkunft oder Sexualität.
Was uns trennt, ist das Bedürfnis mancher, andere zu sortieren – und sich dabei selbst über sie zu stellen.
Warum ich nicht mehr mitlache
Weil hinter der Satire bitterer Ernst liegt.
Weil diese „Debatten“ keine Debatten sind, sondern das Leben echter Menschen betreffen.
Weil sich trans Frauen nicht mehr trauen, eine Toilette zu betreten, ohne Angst vor Kommentaren, Blicken, Angriffen.
Weil trans Männer gezwungen werden sollen, in Räume zu gehen, die mit ihrer Identität nichts mehr zu tun haben.

Weil nichtbinäre Menschen sich jeden Tag entscheiden müssen, ob sie sich falsch einordnen oder erklären sollen. Mich wundert es nicht daß so wenige sich in den Pass haben eintragen lassen, daß sie sich als Divers fühlen, so wenige zu ihrer Trans Identität stehen.
Es wundert mich nicht aber es macht mir Angst und es macht mich traurig.
Weil wir alle verlieren, wenn wir Menschen das Grundlegendste absprechen: das Recht, sie selbst zu sein.
Wer Zahlen braucht: Der LSVD dokumentiert regelmäßig, wie viel Gewalt queere Menschen – besonders trans Personen – erleben. Nicht wegen dem, was sie tun. Sondern wegen dem, was sie sind.
🌈 Und was ich mir stattdessen wünsche?
Ich wünsche mir:
-
Toiletten ohne Kontrollposten. Am liebsten Unisex damit der Schwachsinn keine Chance hat. OK auch weil dann die Schlangen bei Konzertpausen nicht mehr so ein Problem wären.
-
Räume ohne Angst.
-
Gespräche ohne Entmenschlichung.
-
Und eine Gesellschaft, in der Respekt nicht vom Geschlecht abhängt.
Ich möchte nicht in einer Welt leben, in der jemand auf dem stillen Örtchen überprüft wird, ob er oder sie „da hingehört“.
Ich möchte in einer Welt leben, in der klar ist:
Jeder Mensch gehört dahin, wo er sich sicher fühlt.
Und ja – ich bin immer noch die, die auf Konzerten ins Männerklo geht, wenn bei den Frauen Schlangen sind. Nicht, weil ich provozieren will. Sondern weil meine Blase keine Meinung hat.

„Ich schreibe das nicht, weil ich provozieren will. Ich schreibe das, weil mir Angst macht, wie laut es wieder geworden ist – für Ausschluss, für Kontrolle, für Nationalismus. Und wie leise manchmal die geworden sind, die für Menschlichkeit stehen.“
Nachwort – Weil mir das wirklich Angst macht
Ich habe lange überlegt, ob ich diesen Text veröffentlichen soll.
Ob das „zu politisch“ ist.
Ob das „zum Café Ruhepol passt“.
Ob ich mich angreifbar mache.
Aber ganz ehrlich?
Mir macht Angst, wohin wir gerade unterwegs sind.
Mir macht Angst, dass wir in einem Land leben, in dem eine Partei, die nun offiziell vom Verfassungsschutz als rechtsextrem eingestuft ist,
– im Bundestag sitzt,
– zur besten Sendezeit in Talkshows eingeladen wird
– und von demokratischen Kräften wie der CDU immer noch als Gesprächspartner behandelt wird.
Mir macht Angst, dass in Europa wieder Mauern im Kopf gebaut werden.
Dass Nationalismus wieder salonfähig wird.
Dass Vielfalt, Offenheit und Menschlichkeit zur Verhandlungsmasse werden.
Ich schreibe das nicht, weil ich provozieren will.
Ich schreibe das, weil ich glaube, dass wir uns nicht mehr leisten können, still zu sein –
während andere so laut werden, dass sie das Klima vergiften.
Echte Ruhe entsteht nur, wo alle sicher sein dürfen.
Echte Freiheit gilt nur, wenn sie für alle gilt.
Und ich möchte, dass meine Stimme – leise, klar, unbestechlich – dazugehört zu denen,
die nie wieder ernst meinen.
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